Die Frau mit der ausgestreckten Hand
Mitte Juli ist im Alter von 96 Jahren die Philosophin und Systemtheoretikerin Joanna Macy gestorben. Sie hinterlässt ein großes Erbe: eine Philosophie vom gesunden Umgang mit dem Schmerz
Joanna Macy ist Mitte Juli im Alter von 96 Jahren gestorben
Hinter mir liegen zehn Jahre Weltkrisenkommunikation. In dieser Zeit war ich damit beschäftigt, zum einen zu verstehen, wie es aller Warnungen zum Trotz so weit kommen konnte, dass zum ersten Mal in der Milliarden Jahre alten Geschichte der Erde mit dem Menschen eine einzelne Spezies so viel Einfluss auf den Planeten gewinnen konnte, dass sich die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde dauerhaft verändern.
Hinter mir liegen zehn Jahre Weltkrisenkommunikation. In dieser Zeit war ich damit beschäftigt, zum einen zu verstehen, wie es aller Warnungen zum Trotz so weit kommen konnte, dass zum ersten Mal in der Milliarden Jahre alten Geschichte der Erde mit dem Menschen eine einzelne Spezies so viel Einfluss auf den Planeten gewinnen konnte, dass sich die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde dauerhaft verändern.Sei klar, sei selbstbewusst und denk nicht zu viel nach. Das Schöne an deiner Geschichte ist, dass sie sich immer weiter entwickeln wird – und deine Website mit ihr. Dein Ziel sollte darin bestehen, dass sie sich im Hier und Jetzt richtig anfühlt. Alles Weitere kommt von selbst. Das tut es immer.
Hinter mir liegen zehn Jahre Weltkrisenkommunikation. In dieser Zeit war ich damit beschäftigt, zum einen zu verstehen, wie es aller Warnungen zum Trotz so weit kommen konnte, dass zum ersten Mal in der Milliarden Jahre alten Geschichte der Erde mit dem Menschen eine einzelne Spezies so viel Einfluss auf den Planeten gewinnen konnte, dass sich die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde dauerhaft verändern.
„Wer andere zu einem Gespräch einladen möchte, von dem klar ist, dass es in schmerzhafte Bereiche führen wird, muss bei sich selbst anfangen. Bei den eigenen Ängsten, den eigenen Schmerzen, den eigenen Unsicherheiten. “
Und jetzt: du
Je öfter wir bei Aufführungen unserer Bühnenshow vollehalle auf die Schnauze geflogen waren, umso mehr begriff ich, wie wichtig es gerade jetzt, in einer so wackeligen Zeit, ist, mit Ich-Botschaften zu kommunizieren. Sie allein transportieren die Haltung, die Brücken baut und Verbindungen ermöglicht über die Grenzen der eigenen Beobachtungen und Perspektiven hinaus: Ich erlebe unsere Welt auf diese Weise. Auf der Suche nach Antworten auf meine Fragen habe ich diese Erklärungen gefunden. Für mich resultieren daraus diese Folgen. Und jetzt: du.
Wer andere zu einem Gespräch einladen möchte, von dem klar ist, dass es in schmerzhafte Bereiche führen wird, muss bei sich selbst anfangen. Bei den eigenen Ängsten, den eigenen Schmerzen, den eigenen Unsicherheiten. Nur so werden andere dazu bereit sein, sich mit ihrem Schmerz zu verbinden und darüber zu sprechen. Eigentlich ganz einfach. Und gleichzeitig so schwer einzuhalten. Jeden Morgen habe ich mich an diese goldene Regel gelingender Kommunikation zu erinnern versucht. Und sie schon im nächsten Moment wieder vergessen. Wenn ich in einem Social Media-Post, einem Artikel oder einem Video etwas sah, wovon ich dachte: Das ist billige Polemik, der ich mich sofort in den Weg schmeißen muss. Und schon war der Finger in meinem Kopf in Stellung: Du machst mit deinem Reden die Welt kaputt. Du hast nichts begriffen. Du führst dein Publikum hinter die Fichte, um selbst daraus Profite zu erzielen.
Trost in der Erforschung von Schmerz
Am 19. Juli ist im Alter von 96 Jahren Joanna Macy gestorben. Keines der großen News-Portale berichtete über ihren Tod. Sie wurde in keiner Nachrichtensendung gewürdigt. Dabei bietet ihr Tod einen Moment, kurz innezuhalten. Macy ist eine der stillen Heldinnen, deren Wirken hoffentlich noch lange nachhallen wird. Mit ihrem Denken, Fühlen und Handeln hat sie über mehr als fünf Jahrzehnte darüber gesprochen, wie man sich der eigenen Verzweiflung, der Wut und der Erschöpfung über ökologische Ausbeutung, strukturellen Rassismus und systematische Ungerechtigkeit stellen kann, ohne daran zu zerbrechen, sondern Weisheit und Kraft daraus zu gewinnen und andere einzuladen, sich anzuschließen.
In der Ära des ausgestreckten Zeigefingers, dem wichtigsten Körperteil, um die eigene Psyche zu entlasten mit dem guten Gefühl, irgendeinen Schuldigen benennen zu können für Entwicklungen, die in Wahrheit auf kollektive Überforderung zurückgehen, stand Joanna Macys Philosophie für die ausgestreckte Hand. Eine Einladung, sich verbunden zu fühlen mit sich und der Welt, auch in den aussichtslosesten Momenten nach der Schönheit und der Geborgenheit im eigenen Leben Ausschau zu halten, dafür Dankbarkeit zu empfinden und gerade in der Erforschung des eigenen Schmerzes Trost und Lust am Handeln zu entwickeln.
Macy war überzeugt: Wer sich als Element in einem lebendigen Organismus empfindet, führt ein zufriedeneres und erfüllteres Leben. Denn dann ist die Natur kein Baumarkt, in dem man sich mit allem bedient, was es braucht, um die unmittelbaren Bedürfnisse zu befriedigen. Sondern sie ist ein komplexes System, in dem alles mit allem verbunden und der Mensch nicht die Krone der Schöpfung ist, sondern ein Wesen, das nicht mehr und nicht weniger Bedeutung hat als der nächste Baum. In einem solchen Leben sind Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität keine Werte, die man sich jeden Morgen in Erinnerung rufen muss, sondern die Triebe einer Pflanze, die tief in der eigenen Seele wurzelt. Und wer sich als ein solches verbundenes Wesen begreift, hat zudem die Gabe, andere dazu zu ermuntern, auch dann in Respekt und Wertschätzung verbunden zu bleiben, wenn man sich vor lauter Weltwackligkeit auf den nächsten Baum flüchten und von dem Ast, auf dem man Halt gefunden hat, nur noch herunter schreien möchte.
Antworten in Philosophien indigener Völker
Ja, ich weiß. In Gaza verhungern Menschen. Hetzportale machen Nachrichten, die keine Haltung brauchen, sondern Niedertracht und die Bereitschaft, Intellekt und Integrität zu deaktivieren, und vergiften die öffentliche Debatte. Weite Teile der deutschen Politik erklären den Status Quo zur Staatsräson. In der Hoffnung, im Hier und Jetzt Wohlstand und Freiheit zu erhalten, rieselt uns deren Grundlage von morgen durch die Finger. Und dann kommt eine wie Joanna Macy daher und ruft uns aus dem Jenseits zu: Seid dankbar. Stellt euch euren Schmerzen. Seht die Welt danach mit anderen Augen. Und schöpft Hoffnung aus eurem Handeln, das sich selbst genügt und nicht nach Ergebnissen fragt, die sich sehen, messen oder zählen lassen. Als sei Macy nicht Systemtheoretikerin gewesen, sondern Guru, deren wichtigste Botschaft lautete: Wer jeden Morgen an einem feuchten Bergkristall leckt, kann direkt ins Paradies sehen.
Macy war kein Guru. Sondern jemand, die selbst ein halbes Jahrhundert lang nach Wegen gesucht hat, Freude daran zu entwickeln, sich mit einer Nadel ins Auge zu stechen. Nachdem ihr in ihren Vierzigern die Dramatik von Ausbeutung und Raubbau klar geworden waren, taumelte sie ein Jahr durch ihr Leben und wusste nicht, wie sie mit dem schwarzen Loch in ihrem Bauch umgehen sollte, das die Aussichtslosigkeit und die Überwältigung in ihr hinterlassen hatten. Zunächst wollte sie mit niemandem darüber sprechen, aus Angst, ihre Mitmenschen damit zu überfordern und ihnen die Lust am Leben zu nehmen. Dann begann sie, in sich selbst zu forschen, und suchte nach Antworten in der Systemtheorie und in Philosophien wie dem Buddhismus und den Sinn- und Glaubenssystemen indigener Völker. Für die ist Schmerz nicht Ausdruck eines mangelhaften Systems. Sondern ein Hinweis auf etwas, das nach Heilung verlangt.
Was geschieht durch mich?
So entstand ein Programm, das wissenschaftliche und spirituelle Erkenntnisse zusammenführt und Menschen befähigt, Hoffnung nicht als Symbol eines naiven Weltretterpathos zu begreifen, sondern als Element einer gesunden Psyche. Das Bewusstsein braucht Führung, um an den Punkt zu gelangen, wo es bei sich selbst ankommt, Ruhe und Frieden findet in der Fähigkeit, Dankbarkeit und Schmerz, Glück und Traurigkeit, Hoffnung und Niedergeschlagenheit gleichzeitig empfinden zu können, und eine Haltung entwickelt, die nicht fragt, was es bitteschön bringen soll, wenn ich mich als einer von acht Milliarden auf diese innere Reise mache. Sondern: Was geschieht durch mich?
Für alle, die damit in Berührung kommen, wird ihre ausgestreckte Hand ihren Tod überdauern. Und mein Versprechen an mich selbst lautet: Wenn ausgestreckter Finger, dann nur noch, um ihn auf die ausgestreckte Hand von Joanna Macy zu richten.